Klangaufbau

Wie bei den Besonderheiten des Glockenklangs schon erwähnt, treten beim Läuten einer Glocke zwei Klangkomponenten auf. Bei jedem Klöppelanschlag vernimmt man zuerst den kräftigen, metallisch klingenden Schlagton, nach dem die Tonhöhe der Glocke bestimmt wird. Erst danach werden die sog. Summtöne der Glocke hörbar. Sie sind in ihrer Intensität geringer als der Schlagton, klingen aber um ein Vielfaches länger nach, weil ihre Dämpfung entsprechend gering ist.

Über Jahrhunderte hinweg entwickelten erfahrene Gießer Glockenformen, bei denen sich die Frequenzverhältnisse zwischen den Teiltönen musikalischen Intervallbeziehungen annäherten. Solche Glocken brachten für die Ohren der Hörer einfach den "schönsten" Klang hervor. Denjenigen Summton (die niedrigen Teiltöne werden Summtöne genannt, weil sie getrennt hörbar sind und lange nachklingen), der am nächsten beim Schlagton der Glocke liegt, bezeichnet man als "Prime". Die Prime sollte bei einer idealen Glocke mit dem Schlagton zusammenfallen, was aber nicht immer der Fall ist.

Bei jeder Glocke gibt es einen Ton, der unterhalb des Schlagtons liegt. Nach der Lage dieses Tons kann man die Glocken ebenso wie nach dem Material in verschiedene Typen einteilen: Bei Oktavglocken liegt er eine Oktav unter dem Schlagton, im Idealfall auch unter der Prime und heißt Unteroktave (UO). Daneben gibt es auch Nonglocken, Septimglocken und Sextglocken. Das Intervall zwischen Schlag- und Unterton entspricht wie bei der Oktavglocke der jeweiligen Bezeichnung. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts werden zumindest in Deutschland wegen ihrer reinen Innenharmonie (harmonischer Aufbau der Teiltöne) nur noch Oktavglocken gegossen, auf deren weiteren Teiltonaufbau deshalb speziell eingegangen werden soll. Teilweise ist er aber dem von Non-, Septim- oder Sextglocken ähnlich oder sogar mit ihm identisch.

Der nächste Partialton, die Terze, liegt oberhalb des Schlagtons im Abstand einer kleinen Terz (Mollterz). Sie bewirkt durch ihre Intensität, dass der Glockenklang einem Moll-Akkord ähnelt, deswegen lautet die Bezeichnung des Glockentyps vollständig "Moll-Oktavglocke". Eine der größten Herausforderungen für die Glockengießer war es schon immer, Dur-Oktavglocken herzustellen, indem man die Terze um einen Halbton erhöht, ohne dabei die übrigen Teiltonintervalle zu verändern. Erst in der jüngeren Vergangenheit ist man dabei zu gelungenen Ergebnissen gekommen.

In der nebenstehenden Tabelle 1 sind alle bereits genannten und die übrigen deutlich feststellbaren Teiltöne am Beispiel einer idealen c'-Moll-Oktavglocke zusammengestellt. Außerdem sind die Frequenzverhältnisse zum Schlagton angegeben. Dabei wird deutlich, dass der Glockenklang eine Vielzahl von Intervallbeziehungen enthält, die musikalisch harmonisch zusammenklingen oder sogar Harmonische der Grundfrequenz (fST) sind. Die Teiltöne bis zur Oberoktave (OO) werden zum "Prinzipalbereich" des Glockenklangs, die Töne darüber zum "Mixturbereich" gezählt.